Interview Barfussgottesdienst
Barfussgottesdienst 18. Juli 2021 ein Interview mit
der Theologin Martina Häsler und Marlis Fahrni
Marlis, du hast mir erzählt, dass Füsse dich schon als Kind fasziniert haben. Warum?
Das Spielen mit den eigenen Füssen und vor allem das Spielen mit den Füssen von meiner Schwester habe ich immer als sehr lustig empfunden. Ich habe den Füssen sogar einen Namen gegeben. Tübe und Tübetübe.
Zehen und Füsse können in verschiedene Richtungen bewegt werden und du kannst auch damit wackeln usw. Manchmal sind sie kitzlig und zucken und es wird gelacht und so haben wir spielend gemeinsam eine lustige Zeit verbracht.
Auch das Aneinandehalten der Fusssohlen ist eine interessante Erfahrung und ein anderes Gefühl von Verbundensein. Mal nicht über den Boden oder die Hände und doch von Mensch zu Mensch.
Du schreibst, für dich ist eine Fussreflexzonenmassage wie das Spielen auf einem Instrument. Wie soll ich mir so eine Behandlung vorstellen?
So individuell wie jeder Mensch ist, so repräsentieren sich auch seine Füsse und so sind auch seine Ansprüche und Erwartungen an meine Behandlung.
Ich nehme die Füsse und meinen Klienten wahr und das ist für mich wie das Spielen auf einem Instrument. Jeder Ton ist anders und gemeinsam entsteht eine Zusammenarbeit wie ein Lied (wenn ich in ein Blasinstrument blase, wird der Ton anders, wenn ich mehr oder weniger fest rein blase). Genauso arbeite ich mit mehr Druck oder auch ganz sanft, je nachdem was gerade gebraucht wird.
Du hast erwähnt, dass den Füssen oft zu wenig Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt wird. Was wäre daran so wichtig? Warum verdienen unsere Füsse mehr Aufmerksamkeit?
Unsere Füsse tragen uns durchs Leben und sie werden von unserem Leben geformt. Mit Achtsamkeit unseren Füssen gegenüber könnten wir viel über uns und unser Leben lernen (die Sprache der Zehen).
Viele kennen Fussprobleme wie z.B. Hühneraugen, Hammerzehen, Halux, Krallenzehen usw. Da sind nicht einfach die Schuhe daran schuld. Es sagt etwas über unsere Lebenssituation aus. Wir gehen zum Arzt oder zur Podologin und lassen uns das Problem wegschneiden oder operieren, ohne zu überlegen, was uns die Füsse mitteilen möchten. Denn es sind unsere Füsse, die uns durchs Leben tragen….
Du hast mir erzählt, dass du selbst sehr gerne barfuss läufst und oft Schuhe nur aus Anstand und wegen unserer Gesellschaft anziehst. Was sind die Vorteile des Barfussgehens?
Ich mag Socken z.B. gar nicht. Schuhe geben uns Schutz vor Nässe und Kälte und auch vor Sachen, die uns verletzen könnten. Ich denke da an Scherben, Insektenstiche, Dornen usw.
Wenn wir jedoch barfuss unterwegs sind, werden wir automatisch langsamer und achtsamer und fühlen den Unterschied vom Untergrund, auf dem wir uns fortbewegen. Es erdet uns und macht uns empfänglicher für die Natur. Dazu kommt, dass die Organe und auch die Seele stimuliert werden und die Durchblutung angeregt wird. Dies hilft auch sehr gegen kalte Füsse. Dies ist nur eines von vielen Beispielen.
Zum Schluss noch eine Frage die mich als Theologin besonders interessiert:
Wir haben die Szene gehört von der Begegnung zwischen Mose und Gott als Mose näher an den brennenden Busch wollte und Gott ihm befiehlt die Schuhe auszuziehen da er auf heiligem Boden sei (Nachzulesen in der Bibel Exodus 3, 1-15). Hast du eine Vermutung, warum Gott das von ihm verlangt, und macht das für dich Sinn, dass Mose barfuss in die Nähe von Gott tritt?
Ja für mich macht das Sinn. Barfuss bist du achtsamer unterwegs und du fühlst die Verbindung zur Erde viel intensiver und nimmst wahr auf was du gehst und stehst.
Auch mit nackten Füssen dastehen, stellt für mich ein unverhüllt sein dar und ist unter anderem ein Zeichen von Vertrauen.
Für viele ist das Gehen ohne Socken und Schuhe wie nackt sein und sie wollen das gar nicht oder schämen sich sogar für ihre Füsse.
Wenn du dich auf heiligem Boden bewegst, heisst das, Gott möchte, dass du ihm zu 100 % vertraust und auf seine Führung hörst. Das Ausziehen der Schuhe ist für mich ein Symbol wie sich dem Gegenüber öffnen und ihm etwas anvertrauen ohne Schutz und Abwehr und so auch empfangen zu können.
Ich zeige mich so wie ich bin und werde bedingungslos geliebt, wie ich bin. Gott ist die Liebe.